Association of Journalists International Statement

Das folgende Statement wurde in den 16 Mitgliedsländern von Association of Journalists International veröffentlicht: 

Statement über aktuelle Bedrohungen der Medienfreiheit in Mitteleuropa (von Otmar Lahodynsky, AEJ-Ehrenpräsident)

„Die Vereinigung Europäischer Journalistinnen und Journalisten (AEJ) ist besorgt über aktuelle Bedrohungen und Einschränkungen der Medienfreiheit in Mitteleuropa. Sie gehört zu den Grundwerten der Europäischen Union und benötigt mehr Schutzmaßnahmen, auf nationaler und EU-Ebene.  Wir fordern mehr Schutz für unabhängige Medien, die als „4. Macht“ für eine funktionierende Demokratie unersetzbar sind. Es darf keine Einschüchterung seitens der Regierungen über Entzug von Fördermaßnahmen und Inseraten geben.

In mehreren mitteleuropäischen Staaten gibt es derzeit besonderen Grund zur Sorge: In Österreich hat die rechtspopulistische Partei FPÖ, die bei den Parlamentswahlen Ende September 2024 mit 28 Prozent die stimmenstärkste Partei wurde, den Anspruch auf den Kanzler (Regierungschef) gestellt. Sie verhandelt nun mit der auf den zweiten Platz abgestiegenen konservativen ÖVP über eine Koalition.

Aussagen von FPÖ-Chef Herbert Kickl lassen befürchten, dass er als Regierungschef versuchen wird, kritische Medien durch Entzug von staatlicher Presseförderung und öffentlichen Inseraten zu domestizieren. Vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF soll auf Regierungslinie gebracht werden. Dazu soll die erst voriges Jahr neu geregelte Gebührenfinanzierung –  verpflichtende Beiträge jedes Haushaltes und Unternehmens in Österreich – abgeschafft und durch Budgetbeiträge ersetzt werden.

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp hat die liberale Tageszeitung „Der Standard“ wüst beschimpft und mit Entzug von staatlichen Förderungen und Inseraten bedroht. Die FPÖ, die auch im Wahlkampf besonders EU-kritisch aufgetreten ist und im Europaparlament in der rechten Fraktion „Patrioten für Europa“ sitzt, verfügt über ein Netzwerk parteieigener Medien – Mehrere Zeitschriften und auch zwei TV-Kanäle. Bei der „Pressekonferenz“ von FPÖ-Chef Kickl zum Beginn der Koalitionsverhandlungen waren keine Fragen gestattet und mehrere kritische Medien wie die Wochenzeitungen „profil“ und „Falter“ nicht zugelassen worden.

In Deutschland verstärkt die rechtsextreme Partei „Alternative für Deutschland“ (AFD) ihre Attacken auf unabhängige Medien, die sie als „Lügenpresse“ bezeichnet. Für Kritik sorgte das Interview, das AfD—Chefin Alice Weidel dem Chef von „X“, Elon Musk, gab.

Dieser bezeichnete schon zuvor die  AfD als die einzige Partei, die in Deutschland mit den Problemen der Migration fertigwerden könne. Nach dem Terroranschlag von Magdeburg verhöhnte Musk zudem den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz als Schwächling.

Damit hat sich ein US-Oligarch und enger Vertrauter des neuen US-Präsidenten Donald Trump direkt in den deutschen Wahlkampf vor den Ende Februar stattfindenden Bundestagswahlen eingemischt. Da seine Plattform „X“ (vormals Twitter) auch das Faktenchecking eingestellt hat, fordert die EU-Kommission nun von „X“ die Bekanntgabe von Algorithmen und hat ein Verfahren wegen Verstoßes gegen den „Digital Services Act“, der Fakenews, Desinformation und Hassreden untersagt, eingeleitet.

Es ist zu befürchten, dass die Nutzer von „X“ über den Einfluss von Musk zunehmend einseitige und schönfärberische Berichte über Trumps Aktivitäten erhalten werden. NGOs und Plattformen, die Fälle von Desinformation untersuchen, sollen staatliche Subventionen verlieren. Ebenso will Trump mit staatlichen Forschungseinrichtungen, die Verletzungen der Medienfreiheit oder Diskriminierung Andersdenkender untersuchen, verfahren.

Trump sieht dies als Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit.

In Ungarn hat die regierende Fidesz-Partei von Premierminister Viktor Orbán schon seit Jahren die Kontrolle über die meisten Medien erlangt. Nur mehr wenige unabhängige Medien, vor allem im Internet, berichten noch kritisch über die Regierung.

In der Slowakei imitiert der linkspopulistische Premierminister Robert Fico diesen Kurs. Er hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig unter seine Kontrolle gebracht und dazu die meisten Leitungsfunktionen neu besetzt. Es gibt Protestaktionen von MitarbeiterInnen sowie Demonstrationen.

In der EU gilt die Medienfreiheit als Bestandteil europäischer Werte. Daher sind auch im Bereich der Medienpolitik Konflikte zwischen den USA und der EU zu erwarten.

Die AEJ, gegründet 1962 von Journalisten aus Italien, Frankreich und Deutschland in San Remo (Italien) ist als NGO der Medien-Freiheit und der Europäischen Integration verpflichtet. Zurzeit hat AEJ mehr als 700 Mitglieder in 16 europäischen Ländern.“